Leute machen Kleider: Laura hat einen neuen Bikini

03.08.2018 | von: Laura | Kategorie(n): Gedacht

 

Ich hab mit 16 einen Bikini von H&M gekauft. Weiß mit blauen Streifen, Bandeauoberteil, mit ganz vielen Schmucksteinen. Diesen Bikini hat ein Mensch hergestellt. Irgendwo auf der Welt, vermutlich für einen Hungerlohn, unter furchtbaren Bedingungen. Vielleicht war er hungrig, weil er keine Pause machen darf oder sich kein Essen leisten kann.

Vielleicht auch nicht. Vielleicht ging und geht es ihm oder ihr auch gut. Aber auf alle Fälle hat eine Person, so wie du und ich, meinen alten Bikini genäht. Diese Person hat Wünsche, Ziele, Familie, Hobbies und ich wünsche mir für sie, dass sie in ihrem Leben genauso glücklich und unbeschwert sein kann wie ich.

 

> Tja, denn Kleider machen Leute, doch die Leute, die die Kleider machen Leisten sich bis heute leider weniger Designerjacken <<

(Alligatoah – Du bist schön)

 

Jetzt bin ich 23 Jahre alt. Für Rechengenies wie ich: Der Bikini ist 7. Ich hab ihn noch, ich finde ihn nun furchtbar hässlich und das Weiß ist an vielen Stellen orangefarben verfärbt. Er passt nicht mehr zu meinem Stil und meinem inzwischen fraulicher gewordenen Körper. Also musste ein neuer her. Da ich mir heute mehr als damals bewusst bin, dass eine Person damit ihr täglich Brot verdient, dass ich in meinem neuen Bikini in Halle am Heidesee plantschen kann, habe ich mich mit fairer Bademode beschäftigt.

Diese Modelle beginnen bei ungefähr 75 Euro pro Set. Mein H&M Bikini war billiger, deutlich. Ich bin Studentin und legen wir einfach mal die Karten auf den Tisch: Mein monatliches Einkommen liegt knapp unter 900 Euro. Das reicht für Miete, Essen und etwas Leben, für viel mehr aber eben auch nicht.

Ich bin auch kein Mensch, dem es wichtig ist, viel Geld zu haben oder der ein verstärktes Sicherheitsbedürfnis durch ein geregeltes Einkommen unbedingt benötigt. Aber logischerweise überlege ich, ob ich mir nicht im Sommerschlussverkauf der klassischen Modehäuser einfach einen Bikini für 15 – 20 Euro kaufe oder so viel mehr Geld ausgebe, dafür dass ein Fair Trade Siegel auf dem Etikett im Bikinislip steht.

Ich hab nach längerer Recherche einen Bikini der Marke Twothirds gefunden. Ich möchte keinen Werbeartikel hier schreiben, das ist nicht mein Gedanke. Diese Marke produziert in Europa, zu fairen Löhnen, teilweise sind die Produkte aus recycelten Rohstoffen. Was ich auch gut finde: Viele Produkte sind Pre-Order-Produkte. Sprich, sie werden erst dann produziert, wenn sie bestellt werden. Somit muss man als Käufer*In zwar länger auf sein Kleidungsstück warten, aber dafür werden Rohstoffe gespart.

Zurück zum neuen Bikini, dieser kostete ursprünglich 88 Euro. Davon kann ich mir zwei Wochen Lebensmittel kaufen und sogar noch mit meinen Freunden im Conni (The Connoisser – unsere Lieblingsbar in Halle) ein paar Bier trinken gehen. 88 Euro sind verdammt viel Geld, also wartete und zögerte ich. Jetzt ist Sommerschlussverkauf…

Schlussendlich habe ich einen neuen Bikini. Der Kauf hat deutlich länger gedauert, weil ich vorher erst nach Fair Trade Marken recherchieren musste. Zusätzlich hat er vermutlich das dreifache gekostet als eine andere Alternative.

Aber, genauso wie Kleider Leute machen, machen Leute Kleider und verdienen damit ihren Lebensunterhalt. Dahinter stecken keine gesichtslosen Maschinen, es sind Menschen. Darum habe ich diesen übrigens wunderschönen Bikini gekauft. Ich hoffe, dass ich damit dazu beitragen kann, dass alle an diesem Herstellungsprozess beteiligten Personen, von ihrem Monatslohn, den sie bekommen mehr als zwei Wochen leben können und am Ende des Geldes nicht mehr so viel Monat übrig ist.

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