Seit nun fast 50 Jahren ist die Antibabypille auf dem Pharmamarkt. In dieser Zeit hat sie sich als das am häufigsten verwendete Verhütungsmittel (1) durchgesetzt. Inzwischen scheint die anfängliche Euphorie verflogen. Andere (bessere?) Alternativen helfen nun ungewünschte Schwangerschaften zu verhindern und die Medien sind voll mit Frauen, die ihren Pilleentzug als die beste Entscheidung ihres Lebens propagieren. Doch wie steht es nun mit der Antibabypille?
Zunächst ein kleiner Rückblick: Die kleine 14jährige Lauri hatte fettige Haare und Pickel. Viele Pickel. Eine Masse, die über gewöhnliche Pubertätsakne hinausgeht. Ich weiß noch genau, wie unwohl ich mich in dieser Zeit gefühlt habe. Ich habe mein komplettes Ich lediglich auf meine unreine Haut reduziert. Dass in dieser Haut ein schöner oder liebenswerter Mensch steckt, war für mich völlig unmöglich. Also tat ich alles, um diese Haut loszuwerden. Ich fing an mich so stark zu schminken, dass diese Maskerade jeden Morgen zwei Stunden in Anspruch nahm. Aber auch das reichte mir irgendwann nicht mehr. Die Pickel mussten weg. Also ging ich das erste Mal zu einer Frauenärztin und wollte die Pille verschrieben bekommen. Hat sie auch gemacht, ohne großartige Aufklärung, obwohl meine einzige Intension war, dass ich eine bessere Haut wollte und noch keine Verhütungsmittel benötigte. Warum dieser Rückblick? Ich wollte euch meine Motive erklären, warum ich so lange zu dieser „Verhütungsmethode“ gegriffen habe. Es ging mir zunächst ausschließlich um die kosmetische Wirkung.
Als Lifestyle-Droge wird die Antibabypille inzwischen beschrieben (2). Zurecht, wie ich finde, denn die positiven Nebenwirkungen werden oft mehr in den Vordergrund gestellt als die eigentliche Wirkung, ganz zu schweigen, von den negativen Nebenwirkungen und Risiken, die auftreten können. Gynäkolog*innen sind dazu verpflichtet, ihre Patientinnen ausreichend über Nebenwirkungen und Funktion der Medikamente aufzuklären. Bei mir damals war das eher dürftig. Wie zum Beispiel genau die Pille verhindert, dass ich schwanger werden könnte, war mir länger nicht klar.
Wie genau wirkt die Antibabypille? Die Verhütung erfolgt durch die Einnahme eines Hormonmix von Östrogen und Gestagen. Diese beiden Hormone spielen dem Körper vor, bereits schwanger zu sein. Daher werden unerwünschte Schwangerschaften in drei Schritten (3) verhindert.
- Der Eisprung wird unterdrückt, dadurch kann es zu keiner Befruchtung kommen
- die monatliche Verflüssigung des Schleims im Gebärmutterhalskanal findet nicht statt, der Schleim bleibt dickflüssig und zäh, somit können die Spermien nicht ihren vorgesehenen Weg in die Gebärmutter nehmen
- der monatliche Aufbau der Gebärmutterschleimhaut wird verhindert, so können sich die Eier nicht einnisten
Durch diese Dreifach-Wirkung handelt es sich bei der Antibabypille (unter der Beachtung der richtigen Einnahme) um eines der sichersten Verhütungsmittel, was vermutlich auch ein Grund für seine häufige Verwendung ist.
Meine Erfahrung mit der Antibabypille: Trotz der hohen Sicherheit birgt die Pille auch zahlreiche Nachteile. Ich habe die Pille irgendwann abgesetzt. Mit 22 Jahren entschied ich mich gegen die hormonelle Dauerbelastung, immerhin dachte mein Körper zu dieser Zeit, er wäre seit sechs Jahren schwanger. Meine Haut wurde wieder deutlich schlechter, mein Zyklus wurde unregelmäßiger und hat sich nach fast drei Jahren immer noch nicht richtig eingespielt. Aber die negativen Nebenwirkungen, die mir während meiner Zeit mit der Pille, nie aufgefallen waren, blieben auf einmal aus. Kopfschmerzen, extreme Stimmungsschwankungen und eine nicht vorhandene Libido. Ich kannte es nicht anders. Doch als ich die Pille absetzte und merkte, dass ich gar kein aggressives, depressives Wesen mit Dauerkopfschmerzen und nie Lust auf Sex war, konnte ich mit meiner schlechten Haut ganz gut leben.
Diese Aspekte sollte jedoch jede Frau für sich selbst abwägen. Ich denke, dass ein so häufiges Verhütungsmittel durchaus seine Vorteile mit den Nachteilen aufwiegen kann und es Frauen gibt, für die das die Verhütungsmethode ist, die am besten zu ihnen passt. Was jedoch jeder Frau, die zur Antibabypille greift, bewusst sein muss ist, dass sie damit auch in ihr Ökosystem eingreift.
Was hat die Antibabypille für Folgen auf unsere Umwelt? Als erstens soll hier einmal auf den Verpackungsmüll hingewiesen werden, jedoch ist der meiner Meinung nach eigentlich das kleinere Problem. Arzneimittel sind biologisch hochaktive Stoffe, die gezielt in den Regelungsmechanismus von Organismen eingreifen (4). Problematisch ist hier der Wirkstoff 17α-Ethinylestradiol (EE2). Dabei handelt es sich um ein synthetisch hergestelltes Östrogen, welches der Antibabypille zu ihrer Funktion verhilft. Bei der Einnahme verschwindet dieser Wirkstoff nicht einfach nur im Körper, sondern er wird über den Urin wieder ausgeschieden (dies passiert auch bei der Einnahme von vielen anderen Medikamenten und nicht nur bei der Antibabypille). Diese Arzneimittelrückstände können heutzutage noch nicht ausreichend in den Kläranlagen herausgefiltert werden und so landet EE2 in unserem Grundwasser und Oberflächengewässer (5). Auch im Trinkwasser wurde EE2 inzwischen nachgewiesen, jedoch deutlich unter einer therapeutischen Dosis. Seit 2012 gibt es viel Gerede über Arzneimittelrückstände und Aufrüstung von Kläranlagen, doch bis heute ist der Prozess sehr schleppend (6).
Eine Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin gemeinsam mit Forscher*innen der Universität Wroclaw hat die Auswirkungen von EE2 in unseren Gewässern auf Amphibien und Fische untersucht. Amphibien brauchen Wasser zur Fortpflanzung und sind daher allen Stoffen darin schutzlos ausgeliefert (7). Das erhöhte Aufkommen von EE2 führte bei 15 von 100 untersuchten Tieren zum Wechsel ihres Geschlechts. Ursprünglich männliche Tiere wurden weiblich. Diese Verweiblichung könnte unter anderem zu Aussterben oder zur Verringerung der Population führen. Außerdem wurden Missbildungen an den Geschlechtsorganen der Tiere beobachtet (8).
Der Ökotoxikologe Professor Werner Kloas warnt nicht nur vor den negativen Auswirkungen auf Amphibien und Fischen sondern auch für den Menschen. Dr. Britta Stumpe vom Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum hat nachgewiesen, dass Hormone nicht nur im Wasser zu finden, sondern auch im Boden schwer abbaubar sind. Testosteron wird schnell abgebaut, Östrogene dagegen gehen relativ stabile Verbindungen ein, insbesondere EE2 (9). Wer jetzt denkt, dass Medikamente, die nachweislich so starke Auswirkungen auf die Umwelt haben, dann einfach vom Markt genommen werden müssen oder so verbessert, dass die Schwachstellen behoben wurden, der irrt sich. Denn in Deutschland müssen Medikamente nur vor ihrer Zulassung ihre unschädliche Wirkung auf die Umwelt beweisen, eine spätere Überprüfung nach unbeabsichtigten Auswirkungen findet nicht statt. Einmal auf dem Markt, lässt sich ein Mittel kaum stoppen (10).
Daher Augen auf mein Verhütungsmittelkauf.
- https://www.gesundheit.gv.at/leben/sexualitaet/verhuetung/verhuetungsmittel/hormonelle-verhuetung/pille
- https://programm.ard.de/TV/arte/die-pille-und-ich/eid_287247713111227
- https://www.gesundheit.gv.at/leben/sexualitaet/verhuetung/verhuetungsmittel/hormonelle-verhuetung/pille
- https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/arzneimittel/humanarzneimittel/arzneimittel-umwelt
- https://www.codecheck.info/news/Gewusst-Die-Antibabypille-schadet-auch-der-Umwelt-148188
- https://www.sueddeutsche.de/wissen/wasserverschmutzung-antibabypille-im-fluss-1.1381340
- https://www.n-tv.de/wissen/Pillenreste-verursachen-Verweiblichung-article17389461.html
- https://www.codecheck.info/news/Gewusst-Die-Antibabypille-schadet-auch-der-Umwelt-148188
- Ebd.
- https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/arzneimittel/humanarzneimittel/arzneimittel-umwelt